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Leserbriefe

Montag, 10.09.2001



Abdullah F. Bubenheim schrieb:


Bi-smi ‘Llâhi ‘r-Rah:mâni ‘r-Rah:îm

As-salâmu ´alaikum wa-rah:matu Llâhi wa-barakâtuh

Wie diesem und ähnlichen Fällen zu entnehmen, scheint diese Form der
Borniertheit europaweit immer mehr um sich zu greifen, nämlich, daß Gerichte
muslimischen Frauen verbieten, im Staatsdienst ihr Haar zu bedecken, mit der
Begründung, die religiöse und weltschauliche Neutralität müsse mit diesem
Verbot gewahrt werden. Die europäische Gesellschaft fällt von einem Extrem
ins andere: Im Mittelalter war es den Juden vorgeschrieben, besondere,
spitze Hüte zu tragen, um in der Öffentlichkeit als solche vor Angehörigen
anderer Religionsgemeinschaften gekennzeichnet zu sein. Noch im 16.
Jahrhundert trugen in Deutschland die meisten Frauen eine Haube, und das
unbedeckte Haar war eher die Ausnahme. Heute ist es gerade umgekehrt: Wenn
in irgendeinem Staat dieser Welt Angehörigen einer bestimmten
Religionsgemeinschaft eine besondere Kennzeichnung vorgeschrieben wird, wird
dies in Europa sogleich lautstark als „Verstoß gegen die Menschenrechte“
gebrandmarkt. Den Frauen in Europa wird aber nicht nur erlaubt, in der
Öffentlichkeit ihr Haar unbedeckt zu lassen, sondern – zumindest bisher nur
im Staatsdienst – sogar vorgeschrieben! Das eine Extrem ist nicht besser als
das andere, führt es doch für die muslimische Frau zu einer Einschränkung
der vom Grundgesetz garantierten freien Religionsausübung und läuft bei
denjenigen, die diese Einschränkung nicht in Kauf nehmen wollen, praktisch
auf ein Berufsverbot hinaus.
Diese Haltung der Gerichte zeigt mit deren Entscheidungen aber auch deutlich
die Doppelzüngigkeit der Gesellschaft: Es werden mehr Integration und
Gleichberechtigung der Frau gefordert, andererseits stehen derartige
Gerichtsurteile einer Integration und Gleichberechtigung der Frau jedoch
gerade entgegen. Hiermit entpuppt sich die Forderung nach angeblicher
Integration als Forderung nach einer bedingungslosen Unterwerfung unter die
Wertvorstellungen dieser „extremistischen“ europäischen Gesellschaft. Es
bedeutet eine Demütigung, jemandem gegen seine religiöse oder
weltanschauliche Überzeugung eine bestimmte Kleidung vorzuschreiben, und die
strikte Anwendung dieser Vorschrift erzeugt bei den Betroffenen meist nur
Abneigung und Haß. Man sollte dem Haager Gericht vielleicht als Alternative
vorschlagen, daß, wenn sie wirklich an einer Integration und
Gleichberechtigung der muslimischen Frau und einer Gewährung des
uneingeschränkten Rechtes auf freie Religionsausübung interessiert sind, die
Entscheidung dann doch wenigsten so aussehen sollte, daß alle im Gericht
beschäftigten Frauen, nicht nur die muslimischen, Kopftuch tragen müssen,
damit dieses nicht als Kennzeichen für die muslimischen dienen kann.

Wa-s-salâmu ´alaikum

´Abdullâh F. Bubenheim

´Ammân (Philadelphia), den 20. Djumâdâ l-âkhira 1422 d.H., entspr. den
08.09.2001