Leserbriefe |
Sonntag, 08.06.2003 | Drucken |
Leserbriefe
Beheschti: Über das Recht auf Terror schrieb:
Parallel zum Kirchentag, wo zum ersten Mal Protestanten und Katholiken in Berlin in einem großen Rahmen
zusammenkamen, um sich über religiöse Fragen auszutauschen, gab es noch ein wichtiges Ereignis, das uns beschäftigt.
Nach den Attentaten von Casablanca und Riad, bei denen viele unschuldige Menschen Opfer von politisch motivierten
Anschlägen wurden, verurteilte der Präsident des Hamas-Politbüros, Khaled Mechaal, gegenüber der saudischen Zeitung,
„Al Watan“ diese Selbstmordattentate und führte aus, Diese behinderten den "Heiligen Krieg" der Palästinenser gegen die
israelische Besatzung, da sie den Feinden einen Vorwand für noch mehr Druck und Einmischung in die Angelegenheiten
der arabischen Staaten lieferten.
"Auch die grenzenlose amerikanische Unterstützung für die zionistische Besatzung in Palästina und die im
Allgemeinen gegen die Araber und Muslime gerichtete amerikanische Politik und die Bedrohungen unserer
Nation und unserer Interessen und die Aggression gegen eine Anzahl arabischer und islamischer Staaten gibt
niemandem das Recht für derartige Operationen und Explosionen, die eine Bedrohung der inneren Sicherheit
unserer Staaten sind"…(Der Standard aus Wien, 21. Mai)
Wenn man sich diese Erklärung noch einmal durch den Kopf gehen lässt, so stellt man fest, dass hiermit das Recht auf
solche politischen Anschläge nur den palästinensischen Selbstmordattentätern vorbehalten sein soll.
Hamas und andere palästinensische Untergrundorganisationen, die sich im heutigen Israel zu eben solchen Aktionen
vergreifen und den Tod von unzähligen unschuldigen Menschen in Kauf nehmen, bringen mit dieser Aussage zum
Ausdruck, dass nur sie allein das Recht hätten, solche Methoden anzuwenden. In der Tat kämpfen sie gegen eine
Besatzungsmacht, die Hunderttausende Palästinenser aus ihrer Heimat vertrieben hat und die Verbliebenen dermaßen
unter Druck hält, dass sie als ein Volk und eine Gesellschaft praktisch keinerlei Schutz und Recht genießen. Daher sehen
sie es als ihr Recht an, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die Besatzer vorzugehen, ohne dabei auf
die Verluste beider Seiten zu achten.
Anderen, Saudis, Marokkanern, Algeriern usw. stünde es nicht zu, jegliches erdenkliche Mittel in ihren Aktionen
anzuwenden. Auch nicht gegen „die grenzenlose amerikanische Unterstützung für die zionistische Besatzung in Palästina
und die im Allgemeinen gegen die Araber und Muslime gerichtete amerikanische Politik“
Wenn der Präsident des politischen Büros von Hamas eine solche Aussage trifft, meint er damit, dass die Verhältnisse im
heutigen Israel den Palästinensern das Recht geben, jedes Mittel zu benutzen, weil ihnen kein Ausweg geblieben ist.
Weder Marokkaner noch Saudis sind in der Situation, dass ihr Land besetzt ist und dass sie aus ihrer Heimat vertrieben
sind. Auch deshalb steht ihnen nicht zu, für ihren militanten Einsatz die religiöse Bezeichnung „Jihad“ zu benutzen. Denn
nach dem Konsens der islamischen Gelehrten kommt der Gebrauch dieser Bezeichnung in unserer zeit nur für den Fall der
Verteidigung der Heimat in Frage.
Hier bleibt jedoch eine wichtige Frage offen: Auch wenn wir versuchen, die Motive der palästinensischen Freischärler
nachzuvollziehen, bleibt die Nicht-Rücksichtnahme auf das Leben unzähliger unschuldiger Zivilisten, die dabei umkommen,
ungeklärt. Zwei Erklärungen finden sich hierzu:
1) Da alle israelischen Steuerzahler diesen Staat und seine Besatzungspolitik unterstützen, und Regierungen, wie von
Scharon in den Wahlen an die Macht gebracht haben und bringen, gehören sie zum Feind und müssen auch die
Konsequenzen mittragen. Dass dabei Kinder und gebürtige Israelis, die für die Besatzungspolitik nicht zwingend
verantwortlich sind, Opfer dieser Kampfmethoden werden können, das wollen oder können die Befürworter von
Selbstmordattentaten nicht berücksichtigen.
2) Wenn man davon ausgeht, dass Palästinenser so in die Enge getrieben worden sind, dass sie sich mit allen
erdenklichen Mitteln zur Wehr setzen müssen und dieser Widerstand ihnen die Wahl der Mittel nicht frei stellt, dann
handelt es sich aus diesem Blickwinkel um einen Zweck, der alle Mittel heiligt. Für die Planer und Organisatoren dieser
Attentate zählen dabei anscheinend Menschenleben nicht; weder das Leben der Selbstmordattentäter, noch das ihrer
Opfer.
Wenn nun die Planer und Organisatoren der Selbstmordattentate ihrem eigenen Selbstverständnis nach auch religiös
motiviert sind, wie dies bei „Hamas“ und dem „Islamischen Jihad“ der Fall ist, dann ist unklar, wo sie die religiöse
Rechtfertigung hernehmen. Denn es gibt viele eindeutige Aussagen in den Quellen des Islam, die den Schutz des
menschlichen Lebens zur religiösen Pflicht eines jeden Moslems erklären. Und keine anders lautende Aussage lässt sich
in diesen Quellen finden, außer in seltenen Fällen und unter besonderen Bedingungen, die hierbei ganz offensichtlich keine
Gültigkeit haben.
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Hintergrund/Debatte
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