Folgen-fuer-muslime Montag, 23.02.2004 |  Drucken

Folgen-fuer-muslime



23.02.04 Tobias Wobisch: Krtitik an Heiner Geisslers Islambild schrieb:



Issa -Tobias Wobisch Düsseldorf, den 27.12.2003




Herrn
Dr. Heiner Geissler



Anmerkungen zu Ihren Büchern „Intoleranz…“ und „Was würde Jesus heute sagen?...“


Sehr geehrter Herr Dr. Geissler,

seit März 2003 bin ich einer von zahlreichen Deutschen, die sich zum Islam bekennen. Diesen Schritt vollzog ich am Ende einer intensiven Beschäftigung mit dem Islam, was einerseits hieß, auf ein heute relativ breites Spektrum von Literatur von Muslimen und Orientalisten zurückzugreifen, verschiedene Übertragungen des Koran in die deutsche Sprache zu studieren, andererseits auch, sich mit der Geschichte der heutigen islamischen Welt zu beschäftigen, insbesondere, um die große Kluft zu erklären, die zwischen dem Anspruch und dem Ansehen des Islam in der westlichen Welt liegt
Das Ergebnis dieser letztgenannten Recherche kann grob so zusammengefasst werden:

Dort wo der Islam für besonders Verwerfliches verantwortlich zu sein scheint,

ist
1. Fundamentalismus eine Reaktion auf Totalitarismus (z.B. im Irak Saddam Husseins), oder
der Islam als Schlagwort ein Alibikorsett totalitärer Regimes (z.B. in Saudi Arabien),
sind
2. häufig auch Muslime Opfer von menschenverachtenden Praktiken, die durch den Islam nicht zu rechtfertigen sind, wenngleich er dafür bemüht wird.

Bis auf wenige Ausnahmen stehen die Staaten, in denen sich Barbareien ereignen, meist am Ende der langen Kette von Invasionen und Belagerungen die die Menschheitsgeschichte durchzieht, als ehemals Besetzte von europäischen Kolonialmächten, deren aktuelle Probleme mit der formellen Unabhängigkeit erst begannen, und deren totalitäre Regimes durch reiche westliche Staaten, häufig die Ex-Kolonialmächte, gestützt werden. Diese Voraussetzungen bereiten den Nährboden für einen Missbrauch von Religion, nicht nur des Islams.

Dies erklärt die Ansicht vieler Muslime in Europa, dass es zwar viele Staaten gibt, in denen mehrheitlich Muslime wohnen, jedoch keinen Staat, dessen Politik islamischen Idealen gerecht wird.
Dies ist die Grundlage der Kritik, die ich an Ihren Büchern äußern möchte.

Der Phantasie ist keine Grenze gesetzt, bezüglich dessen, was womöglich im Namen des Islam auf dieser Erde geschieht. Alles ist denkbar.
Den Menschen, die Opfer dieses Missbrauchs werden, würde es helfen, den Missbrauch als solchen aufzuzeigen. Im Internetzeitalter ist es häufig eine Sache von Minuten, sich mit bislang fremden Themen vertraut zu machen. Gerade das Angebot zum Thema „Islam“ ist umfangreich.
In Ihrem Buch „Intoleranz“ werfen Sie der katholischen Kirche vor, dass sie ausgerechnet in Kairo mit Muslimen zusammen käme, in jener Stadt, an deren Universität „Al-Azhar“ der Großmufti die Frauenbeschneidung rechtfertige.
Dies ist schlicht falsch.
Mehrfach wurde von der „Al-Azhar“ die Unvereinbarkeit der Frauenbeschneidung mit den islamischen Quellen betont. Auch dort wird die Frauenbeschneidung missbilligt und für Muslime für verboten erklärt. Die Eingabe der Wörter „Al-Azhar“ und „Frauenbeschneidung“ in eine Internet-Suchmaschine stellt dies sofort klar.

Ferner führen Sie aus, dass für die muslimische Frau nicht die Möglichkeit der Scheidung besteht. Auch dies ist falsch. Der Koran macht hierzu klare Ausführungen.
Die Jurisprudenz, die sich zusätzlich auf die Tradition des Propheten Muhammad stützt, kennt sogar zwei verschiedene Art und Weisen, nach denen Frauen sich von ihren Ehemännern trennen können
Bei der Scheidung (talâq), die ein Verfahren voraussetzt, behält die Frau, was sie anlässlich der Heirat von dem Mann bekam, bei der „chula’“ wird die Ehe auf Verlangen der Ehefrau beendet, wobei sie die Brautgabe zurückzugeben hat.
Sie, Herr Geissler, hätten also denjenigen Frauen einen Dienst erweisen können, denen dieses Recht in der Praxis vorenthalten wird, wenn Sie auf die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis hingewiesen hätten. Diese Differenzierung tut Not. Stattdessen erklären Sie den Islam zur Ursache des Übels, womit Sie den betroffenen Frauen nicht den größtmöglichen Dienst erweisen und den islamunkundigen Leser gegen den Islam einnehmen.

Das gleiche ist bei Ihrer Beschreibung der Bestrafung von Frauen durch Steinigung festzustellen:
Sie sagen aus, ein Mann habe im Islam das Recht seine Frau zu töten, indem er dreifach das Wort „Unzucht“ wiederhole. Wie gesagt: Denkbar ist in dieser Welt fast alles.
Fakt ist:
Die Art und Weise wie „Unzucht“ zu bestrafen ist, ist umstritten. Der Koran sieht nicht die Steinigung vor. Das Wort Steinigung findet im Koran nirgends Erwähnung. Die Strafe lautet nach dem Koran „Auspeitschen“ und ist zu verhängen, sofern vier Augenzeugen beigebracht werden können, kann sich aber dann gegen Frauen und Männer richten. Wird der Vorwurf der Unzucht nicht durch vier Augenzeugen bestätigt, kann die Strafe gegen den verhängt werden, der den Vorwurf geäußert hat, gerade um die Verleumdung von Frauen auszuschließen.
Diesbezüglich besteht also keine Möglichkeit, schlecht über Frauen zu reden, ein Mittel, das von Männern überall gerne angewandt wird, um Macht über Frauen auszuüben.
Selbst im freizügigen Deutschland werden doch wohl die wenigsten „Fremdgeher“ von gleich vier Personen in flagranti erwischt, die Strafe käme also selbst hier so gut wie nie zur Anwendung. Zwar kann der eine Partner die Zeugenschaft gegen den anderen vierfach selber leisten, allerdings ist hierbei ebenso ein Geständnis des Beschuldigten zur Durchführung der Bestrafung Voraussetzung.
Die von Ihnen beschriebene Praxis in Bangladesch, wo Männer letztendlich die Frauen nach der Steinigung noch mit einem Bulldozer überrollen „dürfen“, wäre schlicht barbarisch und wird in keiner Weise durch den Islam gedeckt. Hätten Sie hierauf verwiesen, hätten Sie der Gerechtigkeit einen zweifachen Dienst erwiesen, einerseits hinsichtlich dem Schicksal der dort bedrohten Frauen, andererseits der Verdrehung und Verfälschung islamischer Inhalte in macho - patriachalisch organisierten Gesellschaften.
Schlichtweg eine schwerwiegende Verunglimpfung des Islams samt der Gläubigen stellt Ihre Theorie über das Fasten dar, für die Sie zudem noch Jesus vereinnahmen. Im direkten Anschluss der Nennung des islamischen Fastenmonats Ramadan sagen Sie, Jesus sei gegen diese Art „verlogener Frömmigkeitsübungen“ gewesen.
An dieser Stelle soll nicht der individuelle und allgemeine Nutzen des kollektiven Fastens für Körper, Seele und Gesellschaft verfochten werden. Dies könnte als Entgegnung auf eine Kritik oder Zweifel am Sinn des Fastens geschehen.
Was Sie hingegen unternehmen, ist eine pauschale, undifferenzierte Beleidigung aller Muslime. Es hätte einer anderen Wortwahl bedurft, um lediglich eine Meinung oder Kritik in akzeptabler Form zu äußern. Es macht geradezu fassungslos, mit welcher Leichtigkeit Sie vorsätzlich die Gefühle von Menschen verletzen, die eben nicht irgendwo in der Welt extremistisch tätig sind, sondern zum Teil als „normale“ Nachbarn unter uns leben. Deren Fasten, zu dem sogar der Papst und die Kirche ihre Hochachtung aussprechen, überziehen Sie mit dem Vorwurf der Heuchelei und der Verlogenheit.
Noch einmal: Kritik kann und soll beim Namen nennen. Wer jedoch tatsächlich einen fruchtbaren Austausch beabsichtigt, wird sensibel genug sein, sein Gegenüber nicht zu beleidigen.

Um Ihre Kritik an religiösen Speisevorschriften (z.B. Schweinefleischverbot für Juden und Muslime), die das Christentum abgeschafft hat zu unterstreichen, erwähnen Sie das biblische Jesus-Zitat, dass nicht das, was in den Körper hineingehe den Menschen verunreinige, sondern das was aus ihm herauskomme.
Ein Zitat über das sich nachzudenken lohnt. Ob Jesus damit bezweckte die Speisegebote abzuschaffen, ist äußerst fragwürdig, wie er ja auch sagte, er sei nicht gekommen um das Gesetz abzuschaffen, sondern um es zu erfüllen.
Dass Dinge wie Unzucht, Bosheit, Ausschweifung und Hochmut, von denen Jesus im genannten Zitat sagt, dass sie aus dem Menschen herauskommen, beispielsweise durch Alkoholkonsum gefördert werden, dürfte unstrittig sein. Der Alkohol ging aber zuvor in den Menschen hinein.
Derjenige, der die jüdischen Speisegesetze für die Christenheit aufhob, war Paulus, der Begründer des Christentums, eine Figur, die ja auch von Ihnen mit Argwohn betrachtet wird.

Es soll Ihnen unbenommen bleiben, den Islam abzulehnen.
Eine öffentliche Darstellung verdiente aber eine sorgfältigere Recherche.
Sie differenzieren zwar zwischen katholischer Kirche und Christentum, nicht aber zwischen Islam und dem, was in seinem Namen geschieht.
Manche Ihrer Behauptungen entbehren jeglicher Grundlage, andere haben beleidigenden Charakter.

Ihr durch Ihre langjährige politische Tätigkeit erworbenes Ansehen verpflichtet Sie zu besonderer Sorgfalt.
Ihre Bücher beschäftigen sich mit Themen der Zeit, wobei ihre Leserschaft besonders auf Ihre hohe, als Politiker erworbene Glaubwürdigkeit setzt und hofft.. So dürfte neben den von Ihnen behandelten Themen gerade Ihre Autorenschaft einen Großteil Ihrer Leser zum Kauf Ihrer Bücher bewegen.

Dieser besonderen Verantwortung sollten Sie in Zukunft besser gerecht werden.

Mit freundlichen Grüßen

Issa -Tobias Wobisch


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