Newsinternational Montag, 01.02.2016 |  Drucken

Politische Lösung für den Nahen Osten geht nur ohne Waffen

Versagen der Weltgemeinschaft hat Masseneinwanderung und Flucht nach Europa erst verursacht

Bonn (KNA) Stell dir vor, es ist Krieg und alle gehen hin - stell dir vor, es ist Friedenskonferenz und die meisten bleiben weg. So in etwa dürfte sich Staffan de Mistura fühlen. Eigentlich wollte der UN-Sonderbeauftragte für Syrien in diesen Tagen die Vertreter der Regierung von Baschar al-Assad und deren Gegner im schweizerischen Genf an einem Tisch versammeln, um einen Friedensplan für das seit mehr als fünf Jahren von einem blutigen Bürgerkrieg gebeutelte Land auszuarbeiten. Lange war unsicher, wer überhaupt de Misturas Einladung folgen würde. Der wichtigste oppositionelle Zusammenschluss, das High Negotiations Committee (HNC) traf dann am Wochenende in Genf ein, drohte jedoch kurz darauf, die Verhandlungen wieder platzen zu lassen. Das Sterben in Syrien geht unterdessen weiter. Am Sonntag kamen bei Anschlägen in der syrischen Hauptstadt Damaskus Medienberichten zufolge rund 60 Menschen ums Leben. Zu der Attacke bekannte sich demnach die Terrorgruppe «Islamischer Staat» (IS). Die ist nicht in Genf zugegen, bemüht sich aber offenbar nach Kräften, die Gespräche zu torpedieren. Weiter bleiben ganze Städte von Hilfslieferungen abgeschlossen, die internationale Staatengemeinschaft bombardiert IS-Stellungen aus der Luft - während unten am Boden jeder, der noch dazu in der Lage ist, versucht, das Land zu verlassen. Das Schicksal der Flüchtlinge steht am Donnerstag auf einer zweiten Konferenz im Mittelpunkt. In London beraten die Geber über Hilfen für die Entwurzelten in der Region. Im Vorfeld schlagen Nichtregierungsorganisationen Alarm. Die Geber, so zumindest sieht es Oxfam, haben ihrem Namen bisher keine Ehre gemacht. Die von den Vereinten Nationen erbetenen 8,9 Milliarden US-Dollar für Syrien und die Nachbarländer seien im vergangenen Jahr nur etwa zur Hälfte gedeckt worden, hieß es. Gerade aus den reichen Staaten fließe gemessen an ihrer Wirtschaftskraft ein spärliches Rinnsaal. Katar, Saudi-Arabien, Japan und die USA blieben deutlich hinter den Erwartungen zurück. Russland, das wegen seiner engen Drähte zu Assad eine Schlüsselrolle bei der Suche nach Lösungen in dem Konflikt spielt, übernahm mit 6,9 Millionen US-Dollar gerade einmal einen Prozent des errechneten Beitrags. Da steht Deutschland mit 680 Millionen US-Dollar noch gut da. Aber das alles ist nichts verglichen mit dem, was Syriens Anrainerstaaten Jordanien und Libanon leisten. Sie stellten laut Oxfam das 60-fache ihrer wirtschaftlichen Leistungskraft zur Verfügung. Rund 100 deutsche und internationale Hilfsorganisationen erneuerten im Vorfeld der Londoner Konferenz ihren Ruf nach verbindlichen Vereinbarungen, um das Leid der Menschen in Syrien zu beenden. Jegliche Angriffe auf Zivilisten und zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser und Schulen müssten eingestellt werden. «Es darf nicht noch einmal passieren, dass wie im letzten Jahr in den Flüchtlingslagern die Lebensmittelrationen halbiert werden müssen und Menschen hungern und frieren, weil den Helfern das Geld ausgeht», sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) der «Rheinischen Post» (Montag). Am Freitag hatte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) im ARD-Morgenmagazin Milliardeninvestitionen in die Region gefordert nach dem Motto «nicht kleckern, sondern klotzen». Andernfalls, so Müller, kämen weitere Millionen Flüchtlinge nach Europa und Deutschland, «und dann zahlen wir einen viel, viel höheren Preis». Um die Massenabwanderung aus Syrien und den Flüchtlingslagern zu stoppen, bräuchte es aber auch politische Lösungen. Die seien einstweilen nicht in Sicht, so die Geschäftsführerin der «Aktion Deutschland Hilft», Manuela Roßbach. So wird die düstere Bilanz wohl fortgeschrieben: Bislang haben rund 4,6 Millionen Syrer ihre Heimat verlassen; 13,5 Millionen Menschen in Syrien benötigen dringend Nahrung, Kleidung, Unterkünfte und medizinische Versorgung. Die Lebenserwartung ist seit Ausbruch des Krieges um 13 Jahre gesunken. In Genf will de Mistura in «Annäherungsgesprächen» zunächst auf einen Waffenstillstand hinarbeiten. Insgesamt sind sechs Monate dafür eingeplant. Das Drama in Syrien geht in die nächste Runde.




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