Newsinternational Montag, 09.05.2022 |  Drucken


Erstes Stadtteilgesundheitszentrum in Berlin-Neukölln: künftig sollen in dem Zentrum ärztliche Versorgung, Sozialarbeit und psychologische Hilfe verbunden werden
Erstes Stadtteilgesundheitszentrum in Berlin-Neukölln: künftig sollen in dem Zentrum ärztliche Versorgung, Sozialarbeit und psychologische Hilfe verbunden werden

Arte Reportage „Re: Gesundheit für alle. Mehr als Medizin"

Einzigartig in Deutschland: Im neuen Berliner Gesundheitszentrum in Neukölln wird die gesamte Lebenssituation von kranken Menschen in den Blick genommen

Straßburg (KNA) Bei der Gesundheitsversorgung in Großstädten mit hohem Migrantenanteil tut sich etwas Neues: Im Berliner Stadtteil Neukölln eröffnete vor Kurzem ein Gesundheitszentrum, das es in dieser Art in Deutschland noch nicht gab. Dort werden nicht nur Krankheitssymptome behandelt, sondern die gesamte Lebenssituation von kranken Menschen in den Blick genommen. Auch in Leipzig, Dresden und Köln sind ähnliche Projekte geplant.

Die Filmemacherin Jana Kalms begleitete Ärztinnen und Ärzte, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Pflegekräfte, Therapeutinnen und Therapeuten einige Monate bei ihrer Arbeit. Arte strahlt die Reportage "Re: Gesundheit für alle. Mehr als Medizin" am 19. Mai um 19.40 Uhr aus.

Im Mittelpunkt stehen die Sozialarbeiterin Elisabeth Lange und Eva Weirich, Krankenschwester und seit kurzem Gesundheitswissenschaftlerin. Sie sind zwei von 25 Fachkräften, die zum Gesundheitskollektiv Berlin gehören, erzählt Reporterin Kalms. Die Autorin, von der auch die Dokumentation "Nicht alles schlucken" stammt, interviewt das engagierte Personal der neuen Einrichtung und begleitet es durch den Arbeitstag. Die meisten sind schon lange dabei und haben acht Jahre um das Projekt gekämpft.

„Gemeinsam setzen wir uns für eine gute Gesundheitsversogung für alle Menschen ein - unabhängig von Herkunft, Alter, Geschlecht oder Bildung.“ (Gesundheitskollektiv Berlin e.V., Begründer des Gesundheitszentrums)

Abbau gesellschaftlicher Ungleichheiten

Der Standort für das neue Gesundheitszentrum wurde bewusst gewählt. Im migrantisch geprägten Rollberg-Viertel in Berlin-Neukölln gehören Gentrifizierung, Arbeitslosigkeit, Drogen und Gewalt zum Alltag vieler Menschen, erzählt Kalms. Die Sozialarbeiterin mache auch Haus- und Nachbarschaftsbesuche. Lange versteht Hausbesuche als Prävention und interessiert sich dafür, wie die Menschen leben, die ins Gesundheitszentrum kommen. Das Angebot richtet sich an Menschen, die sozioökonomisch benachteiligt sind und einen erschwerten Zugang zur Gesundheitsversorgung haben.

Kalms begleitet Lange und Weirich auch zu einem Treff im Frauencafe der nahe gelegenen Moschee. Sie wollen dort herausfinden, was die Frauen brauchen. Viele seien seit 20 Jahren in Deutschland und komplett isoliert, erzählt eine Teilnehmerin. Die meisten wünschten sich einen Gesprächskreis, in dem simple Alltagsdinge besprochen werden können. Viele könnten nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, erzählt eine Frau, ohne nähere Gründe zu nennen. Sie blieben zu Hause und litten oft unter Depressionen. Auch gemeinsame Spaziergänge, Besuche im Stadtteilcafe oder bei der Gesundheitsberatung wünschen sich die befragten Musliminnen.

Gut zwei Monate nach der Eröffnung hat sich herumgesprochen, dass man im Gesundheitszentrum anders versorgt wird als in den herkömmlichen Beratungseinrichtungen, erzählt Kalms weiter. Die Sozialarbeiterin begleitet zum Beispiel eine Patientin zur Hausärztin und holt sich bei Bedarf telefonische Übersetzungshilfe bei der Non-Profit-Hotline Triaphon. Sie will Elena besser verstehen, eine rumänische Patientin, die eine Krebserkrankung hinter sich hat. Die Hausärztin kümmert sich um die Schmerzen. Anschließend vermittelt ihr die Sozialarbeiterin einen Rechtsanwalt, weil sie in einer Ein-Zimmer-Wohnung mit Schimmelbefall wohnt, ohne Wasser und Heizung. Die Patientin hat große Angst vor der sofortigen Kündigung, weil das Haus luxussaniert werden soll.

Das Berliner Gesundheitszentrum ist nicht am Profit, sondern am Gemeinwohl orientiert, berichtet Kalms. Ähnliche Zentren gibt es bereits in Kanada und Frankreich. Lange und Weirich fahren mit dem Kinderarzt Lothar Müller nach Toulouse, dessen Gesundheitszentrum schon seit 16 Jahren besteht. Sie fragen nach den Erfahrungen und hören, dass dort zur Zeit multifunktionale Termine mit mehreren Fachkräften gleichzeitig erprobt werden, zu denen Ärzte, Sozialarbeiter und Psychologen gehören.

In Deutschland finde die Idee der multiprofessionellen Gesundheitszentren, in denen Menschen medizinisch und sozial versorgt werden, immer mehr Zuspruch, resümiert die Autorin. Das Motto "Gesundheit für alle: eine gerechtere Gesundheitsversorgung" treffe den Anspruch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenso wie den der Patientinnen und Patienten, so Kalms. Die eindrucksvolle Reportage zeigt, wie es funktionieren kann herauszufinden, was die Ratsuchenden wirklich krank macht - und wie man gemeinsam etwas daran ändern kann.




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