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Freitag, 01.12.2023 | Drucken |
"Kopftuchurteil" des EuGH diskriminiert nicht nur Muslime und wird wohl erneut durch nationale Gerichte einkassiert – Kritik kommt vom ZMD und Juden
Über ein Urteil, dass gesellschaftlichen Schaden verursacht, das Selbstbestimmungsrecht der Frauen und Religionsfreiheit erneut angreift und sogar jüdischen Leben einschränkt
Laut dem Urteil des europäischen Gerichtshofes (EuGH) vor einigen Tagen kann eine öffentliche Verwaltung Beschäftigten das sichtbare Tragen des islamischen Kopftuchs, eines Kreuzes oder einer Kippa untersagen. So ein Verbot sei dann gerechtfertigt, wenn es darum gehe, ein vollständig neutrales Verwaltungsumfeld zu schaffen, so die Richter. Eine solche Regel sei nicht diskriminierend, wenn sie allgemein und unterschiedslos auf das gesamte Personal angewandt werde und sich auf das absolut Notwendige beschränke. Ein Arbeitsgericht im belgischen Lüttich hatte den EuGH um Auslegung des EU-Rechts gebeten. Anlass war der Rechtsstreit einer muslimischen Gemeindebediensteten um ein Kopftuchverbot am Arbeitsplatz. Dem EuGH zufolge steht den Mitgliedstaaten und deren Behörden ein Wertungsspielraum bei der Ausgestaltung der Neutralität des öffentlichen Dienstes zu. Eine "Politik der strikten Neutralität" ist demnach ebenso mit den Grundsätzen der Religionsfreiheit und des Diskriminierungsverbots vereinbar wie die gegenteilige Entscheidung, das Tragen von Zeichen religiöser oder weltanschaulicher Überzeugungen zu erlauben. Bedingung sei, dass das Ziel der Neutralität in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werde und die Mittel zur Durchsetzung sich auf das Nötigste beschränkten. Es sei Sache der nationalen Gerichte, zu prüfen, ob diese Anforderungen erfüllt seien.
Beim Präsidenten der Konferenz Europäischer Rabbiner, Pinchas Goldschmidt, nannte das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum sichtbaren Tragen religiöser Zeichen als „verstörend“. Dies sei ein "Angriff auf das Grundrecht der Religionsfreiheit", schreibt der ehemalige Moskauer Oberrabbiner in der "Jüdischen Allgemeinen". Zwar sei es im konkreten Fall um ein muslimisches Kopftuch gegangen. Allerdings führe das Urteil zu einem "Kollateralschaden" unter Juden und Jüdinnen in Europa: "Wenn mit höchstrichterlicher Bestätigung religiöse Symbole selbst aus den Hinterzimmern europäischer Amtsstuben verbannt werden, gilt das auch uns", so Goldschmidt.
Der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, sagte dazu abschließend: „Leider erweckt das Urteil den Eindruck, als wäre dies ein Freibrief für den Arbeitgeber, das Tragen eines Kopftuchs zu verbieten. Tatsache ist, dass das Grundgesetz (GG) und die Antidiskriminierungsrichtlinien (ADR), wie es auch das Urteil ausführt und im jeweiligen Land festgehalten ist, dem entgegenstehen. Dies führt erneut zu rechtlichen Auseinandersetzungen und Hängepartien auf Kosten der Frauen, des gesellschaftlichen Friedens und des Selbstbestimmungsrechts der Frauen. Darüber hinaus hat Oberrabbiner Goldschmidt, völlig recht: Die Juden werden mit angegriffen, und man nimmt auch die Einschränkung des jüdischen Lebens billigend in Kauf. Ich würde sogar noch weiter gehen und behaupten, dass dies eigentlich eine Aushöhlung der Freiheitsrechte darstellt, und dies wird von einigen ebenso billigend in Kauf genommen. Schwierige Zeiten stehen uns bevor“.
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Hintergrund/Debatte
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