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Montag, 08.12.2025

Softpower Deutschland oder was davon übriggeblieben ist: Die Schattenseite der deutschen "Staatsräson"

Das Goethe-Institut steht an einem Scheideweg: Ein ehemaliger Mitarbeiter kritisiert die Ausrichtung der deutschen Kulturpolitik

Berlin, 20. März 2024. Ich trat mit Idealismus beim Goethe-Institut an, überzeugt von der Mission, durch Kultur und Sprache Brücken zu bauen. Heute, nach meinem Ausscheiden, sehe ich die Institution mit anderen Augen: Als verlängerten Arm einer deutschen Außenpolitik, die im Israel-Palästina-Konflikt eine einseitige Position vertritt und dabei palästinensische Narrative systematisch marginalisiert. Meine Entscheidung zu gehen, fiel nach Jahren interner Konflikte. Immer wieder erlebte ich, wie Projekte mit palästinensischen Partnern abgelehnt oder verwässert wurden, wenn sie israelische Politik kritisch thematisierten. Dialog wurde gefördert – aber nur innerhalb klar abgesteckter Grenzen, die israelische Perspektiven privilegierten. Deutschlands erklärte "Staatsräson" für Israels Sicherheit wird im Goethe-Institut zur kulturpolitischen Direktive. Das Ergebnis ist eine selbstauferlegte Zensur. Wir sollten Brückenbauer sein, wurden aber zu Gatekeepern deutscher Nahostpolitik. Ein Beispiel: Bei der Planung einer Lesereihe mit Autorinnen und Autoren aus der Region wurde explizit darauf hingewiesen, dass Werke, die israelische Besatzung thematisieren, "problematisch" sein könnten und besonderer Prüfung bedürften. Die Befürchtung: Sie könnten als antisemitisch interpretiert werden. Intern herrscht ein Klima der Angst. Kritische Stimmen werden schnell mit dem Vorwurf des Antisemitismus konfrontiert – ein Totschlagargument, das sachliche Debatten erstickt. Kollegen und Kolleginnen, die auf Menschenrechtsverletzungen hinweisen wollten, wurden ermahnt, die "besondere deutsche Verantwortung" nicht zu vergessen.




Dabei geht es nicht um Israelkritik per se, sondern um die Ausblendung einer ganzen Perspektive. Deutsche Kulturvermittlung im Ausland präsentiert sich als weltoffen und pluralistisch, während sie gleichzeitig eine der zentralen politischen Fragen unserer Zeit nur einseitig darstellt. Das Goethe-Institut nennt seine Arbeit "Soft Power" – sanfte Machtausübung durch Kultur. Doch diese Macht hat harte Konsequenzen: Sie normalisiert eine unkritische Haltung gegenüber israelischer Politik und entzieht palästinensischen Kulturschaffenden eine internationale Plattform. In Ländern des Globalen Südens, wo das Goethe-Institut präsent ist, wird diese Einseitigkeit besonders deutlich wahrgenommen. Lokale Partner fragen sich: Wie kann Deutschland für Menschenrechte und Dialog werben, während es israelische Besatzungspolitik nicht kritisch thematisiert? Mein Austritt war letztlich eine Gewissensentscheidung. Ich konnte nicht länger Teil einer Institution sein, die zwar pluralistischen Dialog propagiert, ihn aber gleichzeitig durch politische Vorgaben einschränkt. Kulturarbeit sollte Räume öffnen, nicht begrenzen. Das Goethe-Institut steht an einem Scheideweg: Es kann weiterhin unkritischer Transmissionsriemen deutscher Außenpolitik bleiben. Oder es kann seinen eigentlichen Auftrag ernst nehmen – den uneingeschränkten kulturellen Austausch, der auch unbequeme Wahrheiten aushält.

Quelle: Der Meinungsbeitrag auf The New Arab (veröffentlicht am 18. Dezember 2023) von einem anonymen ehemaligen Mitarbeiter des Goethe-Instituts kritisiert scharf die Ausrichtung der deutschen Kultur- und Sprachvermittlung im Ausland.