Leserbriefe |
Freitag, 13.01.2006 | Drucken |
Leserbriefe
Adlan Manai schrieb:
Vorschlag wie man die Gesinnungsfragen beantworten kann - Einführung in das Grundgesetz auf besondere Art
hier habe ich noch ein paar Antworten aus muslimischer Sicht zusammengetragen. Dabei greife ich auf Publikationen islamischer Websites
(z.B. Islam.de) und mein eigenes rechtliches und religiöses Wissen zurück.
Auch hier ist abschreiben ausdrücklich erwünscht. Und nun zu den Antworten:
1. Das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland umfasst die Werteordnung des Grundgesetzes, die inhaltsgleich für alle Staaten der Europäischen Union gilt.
Dazu gehören unter anderem
- der Schutz der Menschenwürde
- das Gewaltmonopol des Staates, das heißt, außer dem Staat darf in der Bundesrepublik Deutschland niemand Gewalt gegen einen anderen anwenden, es
sei denn in Notwehr. Der Staat selbst darf Gewalt nur auf Grund einer gesetzlichen Ermächtigung anwenden
- sowie die Gleichberechtigung von Mann und Frau.
Entsprechen diese Grundsätze Ihren persönlichen Vorstellungen?
Bevor ich meine Antworten zu diesem klischeehaften und generalverdächtigenden Fragebogen gebe, weise ich ausdrücklich darauf hin, dass dieser Fragebogen nach meiner Auffassung der Demokratie, nicht der freiheitlichen demokratischen Grundordnung UNSERES Grundgesetzes entspricht.
Allein die Tatsache, dass ich aufgrund meiner Religion diesen höchst zweifelhaften Fragebogen ausgesetzt bin, verstößt gegen den Artikel 3
UNSERES Grundgesetzes. Demnach darf niemand wegen seines Geschlechtes,
seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft,
seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen
benachteiligt oder bevorzugt werden. Aufgrund der Tatsache, dass mir dieser Fragebogen von einer deutschen Behörde, von einer/m deutschen AmtsträgerIN aufgrund deutscher Rechtsprechung vorgelegt wird, gebe ich zur Kenntnis, dass ich der Auffassung bin, dass hier klar von staatlicher Seite aus gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verstoßen wird:
Und nun zu meinen Antworten:
Als MulimA betrachte ich den Grundsatz der Menschenwürde als eine allgemeingültige Verpflichtung und als einen wichtigen Teil des Glaubens.
Der Koran begrenzt dieses Prinzip nicht auf die Muslime, sondern spricht allgemein von den Kindern Adams, denen Gott Ehre und Würde erwiesen hat.
Im Islam zählt die Würde des Menschen mehr als jedes Heiligtum auf Erden.
Abdullah Ibnu ‘Umar, ein Gefährte des Propheten (s.a.s.), erblickte die
Ka’ba, das Zentrum des Gebetes und des Glaubens für die Muslime, und sagte:
»Bei Allah, du bist würdig und du bist ehrenvoll. Und bei Allah, der Mensch ist noch würdevoller und ehrenvoller als du.«
Der Respekt dieser Würde geht über die von Menschen geschaffenen Grenzen der
Abstammung und Rasse, der Hautfarbe und Sprache, der Völker und Nationen hinaus. »O ihr Menschen, Wir haben euch von einem männlichen und weiblichen
Wesen erschaffen, und Wir haben euch zu Verbänden und Stämmen gemacht, damit ihr einander kennenlernt. Der Angesehenste von euch bei Gott, das ist der Gottesfürchtigste von euch.« (49/13)
Diese Regel bekräftigte der Prophet Muhammad (s.a.s.) in seiner Predigt bei der Pilgerfahrt in Mekka mit den Worten: »Weder wird der Araber vor dem Nichtaraber, noch der Weiße vor dem Schwarzen bevorzugt, es sei denn durch seine Tat.«
Die Würde des Menschen soll unabhängig von seinem Geschlecht gewahrt werden, denn »Die Frauen sind Zwillingsgeschwister der Männer« wie es in einem
Spruch des Propheten (s.a.s.) heißt. Sie soll auch unabhängig von der Religion eines jeden geschützt und respektiert werden, geht der Islam von der Freiheit des Glaubens und der freien Religionsausübung aus. »Euch eure Religion und mir meine Religion.« (109/6)
Der Islam verurteilt jede Form von Gewalt, wie z.B. in den Kreuzzügen, in Spanien während der Inquisition, im 2. Weltkrieg, oder die Gräueltaten, die durch die Serben in Bosnien verübt wurden. Jemand, der Gewalt ausübt, kann
nicht gleichzeitig seine Religion praktizieren.
Als bekennendEr MuslimA entspricht dies meine Auffassung.
2. Was halten Sie von folgenden Aussagen?
- "Demokratie ist die schlechteste Regierungsform, die wir haben, aber die beste, die es gibt."
Der Islam kennt keine Diskriminierung hinsichtlich Rasse, Hautfarbe, Aussehen oder Herkunftsland. Alle Menschen sind hinsichtlich ihres Menschseins und vor dem Gesetz so gleich "wie die Kammzacken", wie es ein Hadith auf den Punkt bringt. Auch der Hadith "Ihr alle stammt von Adam ab, Adam jedoch aus der Erde. O Diener Gottes, seid Brüder!" unterstreicht dieses Gleichheitsprinzip. Dem Islam zufolge sind auch der Besitz von Eigentum und Macht, die Abstammung von einer bestimmten Familie oder eine frühere Geburt nicht mit dem Anspruch verknüpft, über andere gebieten zu dürfen. Der Islam betont, dass das Recht absolute Priorität besitzt.
Gerechtigkeit und Gesetz sind im Islam grundlegende Dinge. Jedes Individuum hat demnach bestimmte Rechte, die der Gesellschaft nicht geopfert werden dürfen. Glaube, Leben, Eigentum und Familie stehen unter besonderem Schutz.
Diese Grundprinzipien bilden die Quelle für die Glaubensfreiheit, die freie Praktizierung des Glaubens, das Recht auf Meinungsbildung, auf
Privateigentum, auf Eheschließung und auf Nachwuchs. Daneben basieren auch Individualität, Intimität und Unantastbarkeit des Lebens auf diesen Grundprinzipien. Im Islam gilt das Prinzip der Individualität von Schuld.
Kein Mensch darf für Verstöße gegen Recht und Gesetz durch andere verantwortlich gemacht werden. Außerdem darf ein Mensch erst dann für schuldig befunden werden, wenn seine Schuld zweifelsfrei bewiesen wurde.
Hier sind eindeutig parallelen zu der Demokratie, wie sie in Deutschland herrscht, zu ziehen. Da die wesentlichen Elemente, wie die Grundrechte der Demokratie sehr wohl mit meiner Glaubensauffassung konform ist, teile ich nicht die Auffassung, dass Demokratie die schlechteste Staatsform ist.
3. In Filmen, Theaterstücken und Büchern werden manchmal die religiösen Gefühle von Menschen der unterschiedlichen Glaubensrichtungen verletzt.
Welche Mittel darf der Einzelne Ihrer Meinung nach anwenden, um sich gegen solche Verletzungen seines Glaubens zu wehren, und welche nicht?
Gemäß Artikel 20 Absatz 3 GG ist Deutschland ein Rechtstaat. Somit kann man sich mit allen rechtstaatlichen Mitteln gegen solche Verletzungen wehren. Gemäß §185 StGB bildet eine Beleidigung einen Straftatbestand, welcher mit Geld- oder Freiheitsstrafe bestraft wird. Eine Strafanzeige ist das einzige und somit geeigneste Mittel, sich gegen solche Beleidigungen zu wehren.
4. Wie stehen Sie zu Kritik an einer Religion? Halten Sie diese für zulässig? Setzen Sie sich damit auseinander?
Ich halte Kritik für zulässig, sobald sie sachlich und konstruktiv ist. Ja, ich setze mich damit auseinander.
5. In Deutschland können politische Parteien und Vereine wegen verfassungsfeindlicher Betätigung verboten werden. Würden Sie trotz eines
solchen Verbots die Partei oder den Verein doch unterstützen? Unter welchen Umständen?
Nein. Damit erübrigt sich die Frage unter welchen Umständen!
9. Halten Sie es für einen Fortschritt, dass Männer und Frauen in
Deutschland kraft Gesetzes gleichberechtigt sind? Was sollte der Staat ihrer
Meinung nach tun, wenn Männer dies nicht akzeptieren?
Ich halte es für einen Fortschritt in Deutschland, nicht in der muslimischen Gemeinschaft. Denn in der muslimischen Gemeinschaft gilt schon seit über
1400 Jahren die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Es ist nicht meine Aufgabe Lösungsvorschläge für den Staat zu finden, wie er Männer dazu bringt
Frauen als gleichberechtigt anzuerkennen. Von daher kann ich auch keinen Lösungsvorschlag dazu geben.
10. In Deutschland kann jeder bei entsprechender Ausbildung nahezu jeden Beruf ergreifen. Was halten Sie davon? Sind Sie der Meinung, dass bestimmte Berufe nur Männern oder nur Frauen vorbehalten sein sollten? Wenn ja, welche
und warum?
Finde ich gut. Zu der 2. Suggestivfrage antworte ich mit nein. Damit erübrigt sich die Beantwortung der 3. Frage.
11. Welche Berufe sollte Ihrer Meinung nach eine Frau auf keinen Fall ausüben? Hätten Sie bei bestimmten Berufen Schwierigkeiten, eine Frau als
Autoritätsperson anzuerkennen?
Schon der Prophet Mohamed (s.a.s.) hatte als Angestellter seine zukünftige Ehefrau Khadischa (r.a.) als Chefin, also als Autoritätsperson über sich. Und es ist in den islamischen Lehren nichts darüber zu finden, dass er (s.a.s.) ein Problem damit hatte. Wie sollte ich dann, der sich das Leben des Propheten (s.a.s.) als Vorbild nimmt Probleme damit haben.
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Hintergrund/Debatte
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