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Leserbriefe

Donnerstag, 09.02.2006



Körrie Kantner schrieb:
Man stelle sich vor, anstatt der Mohammad-Karikatur würde man Juden in einer Karikatur darstellen?

ich selbst bin nicht religiös; in der letzten Zeit habe ich dieses Satz in
diverse Foren geschrieben, unter anderem in ein Diskussionsforum der
deutschsprachigen "Wikipedia" zum Artikel über den Jyllands-Posten, sowie in
ein Forum der "Zeit", welches sich auch mit den Karikaturen beschäftigt.

Beide meiner Einträge wurden gelöscht bzw. so drastisch gekürzt, dass ich es
- um dem Ganzen eine besondere Note zu geben - durchaus als Beschneidung der
Meinungsfreiheit bezeichnet werden könnte. Im Westen, in Deutschland, in
Europa, in der christlichen Welt.

Mit großer Freude habe ich Ihren Artikel auf islam.de gelesen; endlich fühle
ich mich mit meiner Meinung einmal nicht mehr ganz so allein. Und das,
obwohl ich - wie ich ja schon sagte, gar nicht religiös bin (und zu Zeiten,
als ich es noch war, der katholischen Glaubensfraktion angehörte).

Jyllands-Posten druckt Karikaturen ab, die sich gut und gern mit jenen
Darstellungen messen können, die man in früheren Zeiten in Blättern wie dem
"Völkischen Beobachter" finden konnte.

Ja, richtig gelesen. Und ich glaube nicht, dass der Vergleich zu spitz oder
zu kurzatmig ist. Ich glaube, dass wir weißen, christlichen, abendländischen
Europäer, die wir immer mit mahnendem Finger an Vorsicht und an Vernunft
erinnern, uns einen derartigen Fehltritt wie die Karikaturen in
Jyllands-Posten ncht erlauben können. Der erste Stein kam aus Dänemark
geflogen (um es mit einer vielleicht eher christlichen Metapher zu
umschreiben), und Dänemark bzw. Europa hätte gut daran getan, sich für den
Fehltritt zu entschuldigen.

Man male sich nur aus, was passiert wäre, wenn man statt der
Mohammed-Karikaturen jüdische Karikaturen gezeichnet hätte. Hat man aber
nicht - und zwar deswegen, weil es dazu in der Presselandschaft einen
Konsens gibt. So etwas tut man einfach nicht; da hört Pressefreiheit auf.
Die Pressefreiheit, die Europäer anscheinend so massiv gegen die islamische
Welt verteidigen wollen. - Nicht, dass ich falsch verstanden werde:
Natürlich stehe ich als Europäer voll und ganz hinter der Presse- und
Meinungsfreiheit. Aber was hier geschieht, ist in meinen Augen Heuchelei.

Natürlich kann man sich derzeit als Europäer ins Fäustchen lachen und sagen:
An der Reaktion der islamischen Welt sieht man doch ganz klar eines: Dass
die Karikaturen recht hätten, nämlich. Dass der Islam tatsächlich
gewaltbereit sei. Das ist dann der Super-GAU der Arroganz: Die Reaktionen in
aller Welt auf die Karikaturen sind wohl genauso unbesonnen und
unreflektiert wie die Karikaturen selbst. Aber das ändert immer noch nichts
daran, dass die Karikaturen zuerst da waren - dass das weise und gerechte
Europa in übelste Kolonialmanier zurückverfallen ist.