Leserbriefe |
Mittwoch, 19.05.2004 | Drucken |
Leserbriefe
Abdulgani E. Karahan: Der vermeintlich neue Kurs des Vatikans und die verräterischen Kommentare - Muslim „verteidigt“ eine päpstliche Instruktion schrieb:
(Erstveröffentlichung vom 19.05.05 auf: www.igmg.de) In den letzten Tagen wurde kaum eine religionsbezogene Meldung von der Presse so einstimmig wiedergegeben wie die neueste Instruktion des Vatikans „Erga migrantes caritas Christi“ (Die Liebe Christi zu den Migranten). So reicht die Palette der angeschlagenen Titel von „Abgrenzung vom Morgenland“ (Merkur), über „Vatikan warnt vor Ehe mit Muslimen“ (taz), bis hin zu „Vatikan macht Front gegen den Islam“ (Kurier). Verwunderlich ist auch, dass die Instruktion fast schon als Brandbrief des Papstes an die Muslime dargestellt wird, während gerade mal neun Absätze von über hundert Absätzen in direktem Bezug zu den Muslimen stehen.
Doch worum geht es denn überhaupt in dem Papier? Thema ist die Migration und die neuen Herausforderungen die damit verbunden sind. Vor allem darum, die katholischen Gläubigen zum ökumenischen Gespräch mit den christlichen Traditionen der Ostkirche zu ermutigen, aber auch zum interreligiösen Dialog mit nicht-christlichen Religionen, insbesondere den Muslimen.
Doch worauf beruhen dann die Einschätzungen einiger Medien, dass die katholische Kirche ihre positive Haltung, die sie seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil gegenüber dem Islam eingenommen hat, nun aufgebe und Front gegen den Islam mache. Auch Abgrenzung gegenüber anderen nicht-christlichen Religionen wird ihr vorgeworfen, insbesondere in ihrer Haltung gegenüber den Mischehen mit Muslimen. Diesen Vorwürfen kann nach einer aufmerksamen Lektüre der Instruktion nicht zugestimmt werden.
Es mag komisch erscheinen, dass ein Muslim eine päpstliche Instruktion „verteidigt“, doch muss man sich als Muslim, der seit Jahren aktiv am interreligiösen Dialog mitwirkt, fragen, was denn mit den Übertreibungen, aus dem Kontext gerissenen Aussagen und einer Positionierung des Papstes gegen den Islam erreicht werden soll. Will man nun auch den Papst in die Reigen der Islamophoben aufnehmen und ihn, hinter seinem Rücken, zu einem Mitstreiter gegen den Islam machen? Angesichts der großen Zahl der katholischen, aber auch nicht katholischen Christen, für die der Papst zumindest eine moralische Instanz darstellt, dürfte diese Strategie viel versprechend sein. Nur die wenigsten dürften sich die Mühe machen, ein ca. 80-seitiges Dokument durchzuarbeiten. Da begnügt man sich mit der „Zusammenfassung“ aus den Medien. Doch diese hält sich tragischerweise nicht an das Original.
„Bewusst gewollter und gesteuerter Unsinn“, nennt Pater Wilfried Dettling, katholischer Islambeauftragter der Diözese Speyer, diese „Agitationen“. „An keiner Stelle des Dokuments wird gegen den Islam „Front“ gemacht. Gewiss verwehrt sich die Instruktion dagegen, die Laizität eines Staates in Frage zu stellen. Dies jedoch als Frontstellung gegen den Islam zu interpretieren ist weder plausibel noch dem kirchlichen Anliegen dienlich“, sagt Pater Dettling weiter.
Im Gegenteil, die Instruktion würde betonen, dass sich Christen und Muslime bemühen sollen, in der Erkenntnis der Gemeinsamkeiten und im Respekt vor der Eigenheit der Traditionen des jeweils anderen zu wachsen, um so ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gemeinsam nachkommen zu können.
Auch warne die Instruktion nicht vor Mischehen, so Pater Dettling. „Vielmehr wird darauf hingewiesen, dass sich die Partner im Falle einer Mischehe im Vorfeld über die möglichen Konsequenzen klar werden sollten. Dies betrifft vor allem die Erziehung der Kinder und die Ausübung des eigenen Glaubens“, stellte der Islambeauftragte dar.
Punkte die auch von muslimischer Seite nur bejaht werden können. Es kann keinen Dialog geben, ohne die eigenen Eigenheiten zu kennen. Die Vorstellung, dass jeder an der Tür zur Dialogveranstaltung seine eigene Bekenntnis an den Nagel hängt, um dann den anderen besser „verstehen“ zu können und „objektiver urteilen“ zu können, ist absurd. Auch kann dem Papst nichts vorgeworfen werden, wenn er fordert, dass der „Dialog geführt und realisiert werden muss in der Überzeugung, dass die Kirche der eigentliche Weg des Heiles ist und dass sie allein im Besitz der Fülle der Heilsmittel ist“.
Jede Religion, jede Anschauung ist der Ansicht, dass sie der „eigentliche Weg des Heils“ und „allein im Besitz der Fülle der Heilmittel“ ist. Dies macht sie ja auch zur Religion. Der Anspruch des Islams, aber auch anderer Religionen, ist nicht geringer. Einen Dialog zwischen Menschen, die sich in Selbstleugnung überbieten, kann es wohl kaum geben. Gerade weil jede Anschauung natürlicherweise diesen Anspruch erhebt – und damit sind nicht nur die religiösen Anschauungen gemeint – bedarf es dieses Dialogs, um ein friedliches Zusammenleben zu ermöglichen.
So kann den Worten den Papstes in der Instruktion auch von muslimischer Seite nur zugestimmt werden: Dialog, um „das Gedächtnis von der Verständnislosigkeit der Vergangenheit zu läutern, stattdessen die gemeinsamen Werte zu pflegen sowie die Unterschiede zu klären und zu respektieren“, ohne dass die eigenen Prinzipien verleugnet werden.
Auch in dem Punkt, dass Mischehen zwischen verschiedenen Religionen größerer Vorsicht bedürfen, ist aus muslimischer Sicht zuzustimmen. Oftmals wird im Vorfeld einer Heirat gar nicht richtig wahrgenommen, wie groß die Religion im Leben des Einzelnen ist. Spätestens bei der Erziehung der Kinder kommt es schließlich zu Problemen, die oftmals für die Ehe unüberbrückbar werden und schließlich oft genug im Scheitern der Ehe enden. So kann auch aus muslimischer Sicht beiden Partnern nur geraten werden, schon im Vorfeld solche Probleme zu bedenken und im Vorfeld auch offen anzusprechen. Dies ist keine Ausgrenzung gegenüber anderen Religionen, aber eine Warnung dahingehend, das eigene religiöse Bewusstsein nicht zu unterschätzen. Während allzu oft die Religiosität im Alltag nicht stark ausgeprägt ist, ob Muslim oder Christ, ändert sich dies jedoch schlagartig, wenn es um die Erziehung der eigenen Kinder geht, insbesondere bei der Vorstellung, dass die Kinder mit einer anderen Religion erzogen werden sollen, als mit der eigenen.
Nur wenn man die Folgen vorher bedenkt, wird man vor Überraschungen gefeit und vor „bitteren Erfahrungen“ auf beiden Seiten sicher sein.
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