Leserbriefe Montag, 16.04.2007 |  Drucken

Leserbriefe



Tobias Wobisch schrieb:
Koran im Gerichtssaal, Mozart-Oper, usw.


Erneut ist ein ähnliches Phänomen wie bei der Absetzung der Mozart-Oper zu beobachten, nachdem eine Richterin angeblich mehr oder weniger den Koran in die deutsche Rechtsprechung hat einfließen lassen.
Erneut ist es so, dass aufgrund eines nicht von Muslimen geschaffenen Anlasses, sich Medien und Politiker selbstherrlich eingeladen fühlen, Muslime und Islam zu verunglimpfen.

Weder waren es Muslime, die die Absetzung der Oper forderten, noch gab es eine muslimische Richterin, die den Koran zur Rechtsprechung heran zog, noch hatte die klagende Muslima eine islamische Rechtsprechung erbeten.
Dennoch werden die Geschehnisse in einer Weise publiziert und diskutiert, in der auf Koran und Islam gar nicht näher eingegangen wird; alle beleidigenden Zuschreibungen nicht nur erlaubt sind, sondern sogar zur Prämisse erhoben werden.
Medienvertreter und sich vor Kameras drängelnde Politiker jonglieren wieder einmal, offenbar ohne nähere Kenntnis davon zu besitzen, mit Begriffen wie „Djihad“, „Gottestaat“ und „Scharia“, welche stets nie sachlich erläutert werden, sondern deren einmal selbst erzeugte negative und Panik stiftende Konnotation ausgenutzt und fortgeschrieben wird, immer verbunden mit dem Unterton von „soweit sind wir schon“ und „ es wird Zeit, denen Einhalt zu gebieten“, womit das Schüren von Angst mehr als nur billigend in Kauf genommen wird.

Hier nur Unbedachtheit und keinerlei Absicht zu unterstellen, ist schier nicht möglich.
Dass ein „Experte“ im Heute-Journal am 22.03. die „hinterste Türkei“, (also die Menschen dort) pauschal ohne weitere Differenzierung als Synonym für Menschenverachtung bezeichnen kann, als gehöre es dort zum guten Ton, Frauen zu schlagen, grenzt an Volksverhetzung.
Dankbar greifen Politiker und Medien jede sich bietende Gelegenheit auf, den Islam in einen prangerähnlichen Focus zu rücken, in dem falsch verknüpfte Fakten, Widersprüchlichkeiten, Vorurteile, Halbwahrheiten, offene Ablehnung und Beleidigungen über Muslimen und Islam ausgegossen werden dürfen. Welchem Zweck dies dienen soll, ist die Frage. Vordergründig sicherlich einer kollektiven positiven Selbstvergewisserung in einer Epoche, in der der längst erfolgte Bruch der hiesigen Gesellschaft mit ihrer eigenen religiösen Tradition immer unübersehbarer wird. Religion und ihre Wertvorstellungen in dieser Gesellschaft, gerne zu einem Resultat der Aufklärung euphemisiert, begnügen sich weitgehend mit dem Stellenwert von Traditionspflege mit caritativen und mythologischen Merkmalen, weit davon entfernt, nennenswert gesellschaftlichen Einfluss im Sinne Christi auszuüben.

Im legitimen Bedauern dieser Situation sollten aber Muslime nicht als gesellschaftliche Antithese gesehen werden, anhand derer Solidarität und Identität geschärft werden können, schließlich sind Muslime längst ein Teil dieser Gesellschaft.
Was Politiker und Medien betrifft, sei selbstverständlich erwähnt, dass es natürlich Ausnahmen gibt, die jedoch nicht tonangebend sind.


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