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Mittwoch, 14.01.2004

Folgen-fuer-muslime



14.01.04 Polizeigewalt gegen Fremde schrieb:



Neues Deutschland:
Polizeigewalt gegen Fremde
Aktion Courage dokumentierte 70 Fälle von Misshandlungen durch Beamte
Von Uwe Kalbe
Fremdländisch aussehende Menschen werden häufiger Ziel von
verdachtsunabhängigen Kontrollen. Einzig möglicher Grund: In bestimmten Kreisen
der Polizei herrscht Generalverdacht gegen sie. Wenn Gewaltbereitschaft hinzu
kommt, wird es brenzlig.

Cem Özdemir weiß es aus eigener Erfahrung: Ausländisch aussehende Menschen
gelten häufiger als andere als verdächtig, wie etwa bei Ausweiskontrollen sichtbar
wird. »Empirische Untersuchungen dazu gibt es allerdings nicht«, räumt der frühere
Bundestagsabgeordnete der Grünen ein, der demnächst ins EU-Parlament einziehen
will. Man sieht ihm, dem »anatolischen Schwaben«, wie ihn Zeitungen oft nannten,
seine türkische Herkunft an. Polizeigewalt sei nicht die Regel, sondern die
Ausnahme, sagt der Politiker politisch korrekt. Und ebenso richtig ist seine
Ergänzung: Polizeigewalt sei keine gewöhnliche Gewalt, sondern sie wird als Gewalt
des Staates wahrgenommen. Die hier dokumentierten Vorfälle seien daher »traurig
und bitter für den Rechtsstaat«, so sagt Cem Özdemir, der Mitglied des Kuratoriums
der Menschenrechtsorganisation Aktion Courage ist.

Viele weitere Prominente finden sich in dessen Reihen. Etwa Heiner Geißler, der
Vorsitzende des Verbandes und einstige Generalsekretär der CDU. Ohne dessen
Spende in Höhe von 70000 Euro, von ihm erworben in einer der Talk- oder
Spielshows des deutschen Fernsehens, hätte es auch die aktuelle Dokumentation
nicht gegeben, die am Montag in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Schon
drei Jahre musste der Verein seine seit 1993 verfassten Berichte aussetzen – wegen
Geldmangels. Nun sind die Fälle seit dem Jahr 2000 aufgereiht, und die 70 Beispiele
speisen sich allein aus den bekannt gewordenen Meldungen, die von Aktion Courage
nachrecherchiert werden konnten und über Beleidigungen und diskriminierende
Äußerungen von Beamten hinaus gehen. Sie beinhalten mithin nur eine Auswahl.
Die Berichte sind dennoch im Konjunktiv gehalten. »Wir zweifeln nicht an ihrem
Wahrheitsgehalt«, sagt Otto Diederichs, Autor der Studie. »Doch es ist Sache von
Gerichten, dies festzustellen.«

Gerichte stellen häufig die Verfahren ein. Polizeibeamte antworten auf Anzeigen in
aller Regel mit Gegenanzeigen. Wegen Widerstandes gegen Staatsbeamte. Die an
einer Festnahme Beteiligten decken sich gegenseitig. Ein Verständnis von
Korpsgeist, das sich für die Opfer verhängnisvoll auswirkt. Allein daraus erklärt sich
das große Dunkelfeld, von dem Aktion Courage bei der Registrierung von
Gewaltfällen ausgeht, wie Marianne Theil vom Vorstand deutlich macht. Die meisten
Opfer scheuen eine Anzeige, nur ein Bruchteil der Ereignisse dürfte die Öffentlichkeit
erreichen. Hinter den 70 Beispielen verbergen sich Gewaltfolgen für 110 Menschen;
nicht immer waren es einzelne Opfer, die die Schläge und Tritte genervter oder
übereifriger und vermutlich rassistisch gesinnter Polizisten erlitten. In drei Fällen
endete der Einsatz gar tödlich – in Folge des Vorgehens gegen Drogendealer. Der
»glimpflichste« Fall ist der von 20 untätigen Beamten: Sie sahen einem Flüchtigen
beim Ertrinken zu.


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